Wenn sich Betrof­fene von Daten­be­schä­di­gun­gen mel­den, stellt sich häu­fig die Frage, wel­che pro­zes­suale Stel­lung die Betrof­fe­nen haben. Haben sie allen­falls die Stel­lung eines Opfers nach Opfer­hil­fe­ge­setz (OHG)?

Die Ant­wort erhält man bereits mit einem Blick in den ers­ten Arti­kel des OHG:

Art. 1 Grundsätze
1 Jede Per­son, die durch eine Straf­tat in ihrer kör­per­li­chen, psy­chi­schen oder sexu­el­len Inte­gri­tät unmit­tel­bar beein­träch­tigt wor­den ist (Opfer), hat Anspruch auf Unter­stüt­zung nach die­sem Gesetz (Opfer­hilfe).

Vor­aus­ge­setzt ist die unmit­tel­bare Beein­träch­ti­gung der kör­per­li­chen, psy­chi­schen oder sexu­el­len Inte­gri­tät. Die Unmit­tel­bar­keit liegt bei der Beschä­di­gung von Daten klar nicht vor. Sie kann höchs­tens indi­rekt gege­ben sein. Eben­falls fehlt, dass die Inte­gri­tät an und für sich beein­träch­tig wurde. Das OHG erfasst also nur Per­so­nen, die direkt am Kör­per, an der Psy­che oder in ihrer sexu­el­len Inte­gri­tät ver­letzt wurden.

Im juris­ti­schen Sinne würde der Begriff “Per­son” sowohl natür­li­che Per­so­nen (wie Sie und ich) als auch juris­ti­sche Per­so­nen (AG, GmbH, Ver­ein etc.) erfas­sen. Juris­ti­sche Per­so­nen wei­sen dem­ge­gen­über kei­nen Kör­per, keine Psy­che oder Sexua­li­tät auf. Wird der Daten­be­stand Ihrer Unter­neh­mung beschä­digt, steht ihr das OHG nicht offen. Ihr Unter­neh­men ist kein Opfer im Sinne der Opferhilfe.

Auch die Straf­pro­zess­ord­nung (StPO) kennt den Begriff des Opfers und defi­niert ihn in Art. 116 Abs. 1 annä­hernd wort­gleich wie das OHG. Zwi­schen dem Opfer nach OHG und jenem nach StPO bestehen somit keine Unter­schiede in Bezug auf StGB 144bis.1: Nach bei­den Geset­zen ist eine “daten­ge­schä­digte” Per­son kein Opfer.

Noch unter der Gel­tung der jewei­li­gen kan­to­na­len Straf­pro­zess­ord­nun­gen (bis 2011 gab es pro Kan­ton eine eigene Straf­pro­zess­ord­nung!) und des alten OHG, hatte das Bun­des­ge­richt in 1P.111/2005 en pas­sant eine mög­li­che Opfer­stel­lung in Bezug auf StGB 144bis.1  erwähnt und diese von der Inten­si­tät der Betrof­fen­heit der geschä­dig­ten Per­so­nen abhän­gig gemacht. In 6B_343/2010, eben­falls noch vor der heu­ti­gen StPO, hat das Bun­des­ge­richt dann fest­ge­hal­ten, dass nicht Opfer im Sinne des Opfer­hil­fe­ge­set­zes ist, wer ein­zig von einer Daten­be­schä­di­gung betrof­fen ist. Es fehle an der direk­ten Beeinträchtigung.

Das deckt sich auch mit dem Wort­laut des OHG, wel­cher in der oben zitier­ten Fas­sung seit dem 01.01.2011 in Kraft ist. Seit dem 01.01.2011 ver­fügt die Schweiz auch über eine ein­heit­li­che Strafprozessordnung.

Nun ist also klar, wel­che Stel­lung jemand nicht hat, der von Daten­be­schä­di­gung betrof­fen ist. Was nun? Hat man als Betrof­fe­ner einer Daten­be­schä­di­gung keine Stel­lung im Prozess?

Es gilt ganz gewöhn­lich die StPO und wer von einer Daten­be­schä­di­gung betrof­fen ist, der kann sich als Pri­vat­klä­ger kon­sti­tu­ie­ren. Als Pri­vat­klä­ger kann man – muss aber nicht – Beweis­an­träge stel­len und Zivil­for­de­run­gen gel­tend machen. Man ist also nicht Opfer, son­dern Privatkläger.

In den meis­ten Fäl­len emp­fiehlt es sich für den Gang zu den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den einen Anwalt zu kon­sul­tie­ren. Die Staats­an­walt­schaf­ten sind auf rasche Ver­fah­rens­er­le­di­gung aus­ge­rich­tet, ste­hen unter immensem Kos­ten- und Zeit­druck und es kommt vor, dass nur allzu rasch das Ver­fah­ren gar nicht erst an die Hand genom­men oder ein­ge­stellt wird. Viel­fach ein­fach des­halb, weil die Zusam­men­hänge bei tech­ni­schen Abläu­fen den Straf­ver­fol­gern fremd – und in den meis­ten Fäl­len sogar ein Graus – sind. Da gilt es häu­fig, etwas Gegen­steuer zu geben.