Wissen Sie, was unter der Haube Ihres Smartphones alles vor sich geht? Ich weiss es nur bruchstückhaft. Das Ausmass meiner Unkenntnis ist mir erst kürzlich richtig bewusst geworden. Eine kleine Open-Source-App hat mir angezeigt, wie viele Verbindungen zu verdächtigen Fremdnetzen es während einer Woche geblockt hat. Es waren mehr als 8’000 blockierte Verbindungsversuche.
Blokada
Wenn man nun von 8’000 blockierten Verbindungsversuchen liest, stellt sich die Frage, wer entscheidet, was zu blockieren ist und wie überhaupt blockiert wird. Benutzt habe ich Blokada. Blokada ist eine App, die sich zwischen Ihr Smartphone und das Internet klemmt. Das Tool erstellt ein lokales VPN und lässt dann inskünftig alle laufenden Apps über dieses VPN kommunizieren. Blokada prüft jeweils, ob von einer Anwendung auf Ihrem Telefon eine Verbindung mit einer Adresse hergestellt wird und ob diese Adresse auf einer schwarzen Liste steht. Auf dieser schwarzen Liste stehen viele bekannte Adressen von Werbern, Trackern, Analysten und sonstige Datenkraken sowie Malware-Schleudern.
Blokada selber empfiehlt die Liste “energized blue”, die per 31.07.2019 232’839 Einträge enthält (man kann auch diverse andere gute Listen auswählen). Die energized-blue-Liste nutzt verschiedene Quellen und wird gut gepflegt, damit es nicht zu overblocking kommt.
Blokada kann für jedes aktuellere Androidgerät heruntergeladen und installieren werden. Das Installieren benötigt die Berechtigung, Quellen von ausserhalb des Google-Ökosystems zu installieren (“Unknown Sources”). Blokada ist vertrauenswürdig, weshalb das in Ordnung geht. Es verwundert nicht, dass Blokada sich nicht im Google Play Store finden lässt. Schliesslich blockiert man damit die Oberdatenkrake Google gleich mit. Und das hat Google für den Play Store verboten.
Mit dem Installieren von Blokada erreichen Sie mit sehr wenig Aufwand bereits einen recht guten “Grunddatenschutz” für den Bereich, in dem Anwendungen auf Ihrem Telefon ohne Ihr Wissen nach Hause telefonieren. Wer ein iPhone hat, sucht übrigens vergebens nach Blokada. Für iOS gibt es die App nicht.
Systemupdates
Eine Grundregel der IT-Sicherheit: Patchen und Updaten Sie Ihre Systeme. Google hat in den vergangenen Jahren verschiedentlich auf Kritik aus Tech- und Datenschutzkreisen reagiert und verbessert Android regelmässig, wenn Sicherheitsprobleme auftreten oder eine eklatante Datenschutzverletzung bekannt wird.
Den stets aktuellsten Patchlevel erhält man im Moment einzig, wenn man ein Google-Gerät besitzt (zB eines der Pixel-Serie). Bei anderen Herstellern kann man von grossem Glück sprechen, wenn man nach dem Kauf einmal im Jahr ein Systemupdate erhält. Und dieses grosse Glück dauert dann in aller Regel auch bloss zwei Jahre an. Danach heisst es seitens Hersteller: “End of Life, keine Systemupdates mehr”. Und man trägt fortan ein unsicheres System im Hosensack herum. Das ist die traurige und an sich unhaltbare Situation im Moment.
Eine Alternative besteht in solchen Situationen eventuell darin, dass man sich eine custom ROM auf den Geräten installiert. Für den Normaluser, der mit dem Telefon kommunizieren will, etwas liest und mal ein Video schaut, ist das keine Lösung. Zuerst muss der Bootloader freigeschalten werden, dann muss man die ROMs flashen, seltener dann noch rooten etc. pp. Ganz abgesehen vom ganzen Datentransfer, den man machen muss, das erneute Einrichten aller Accounts und das Übertragen der Einstellungen. Wer noch nie etwas von “ROM”, “booten” oder “root” gehört hat, dem steht eine lehrreiche und zeitaufwändige Reise bevor. Ganz abgesehen von den nervlichen Strapazen, falls man nicht weiterkommt oder das geflashte ROM schlicht und ergreifend verbugged ist.
F‑Droid (oder: wie vermeide ich den Google Play Store)
Ein ganz zentrales Stück Software auf einem Androigerät ist der Google Play Store. Der googleeigene Store hat verschiedene Vorzüge: Malware ist eher selten anzutreffen, da mit ” Google Play Protect” alle Apps gescannt und signiert werden (namentlich APK Signatures). Der Play Store verfügt über die aktuellsten veröffentlichten Versionen der Apps und sorgt dafür, dass diese Updates auch ausgerollt werden. Weitere Vorzüge unterschlage ich an dieser Stelle einfach. Wer sich einlesen will, dem empfehle ich die Artikel Security Best Practices und Application Signing von Google resp. der Open Handset Alliance.
Der Nachteil des Stock-Google Play Stores: Sie können ihn nicht ohne einen Google Account benutzen. Zumindest nicht auf eine einfache Art und Weise. Bezahlte Apps lassen sich zwar über Umwege (Open GApps, Yalp) installieren, insgesamt ist das aber nicht benutzerfreundlich. Man will ja nicht basteln, sondern die App benutzen. Google hat hier mit seinem Play Store eine Marktmacht geschaffen, die an das seinerzeitige Microsoft Internet Explorer-Monopol erinnert und es nach meiner Einschätzung sogar übertrifft. Wann kommt hier eine Kartellbehörde hinter dem Bürotisch hervor?
Dazu kommt: In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist die Datensammelei des App-Stores bedenklich. Google speichert sämtliche Installationsvorgänge in “Ihrem” Account und pro Gerät. Auf Grund der installierten Apps sind Rückschlüsse auf Sie und Ihre Lebensumstände möglich. Wollen Sie Eltern werden? Wollen Sie Ihren Blutdruck tracken, abnehmen, spielen, an der Börse traden, meditieren oder beten? Google weiss es.
Privacy-safe Apps installieren: Beginnen Sie mit simplemobiletools.com
Tibor Kaputa entwickelt auf simplemobiletools.com ganz grundlegende Apps, die Sie täglich benutzen. Von der Launcher App (zeigt Ihnen die Apps an), über die Contacts App bis hin zur Tastatur. Der Vorteil: Privacy wird grossgeschrieben und die Tools sind Open Source, Sie können also in den Quellcode reinschauen. Die Apps verlangen ausserdem nur diejenigen Permissions, die zwingend notwendig sind.
Von Simple Mobile Tools lohnt es sich, folgendes zu installieren (falls Sie den Schritt weg vom Google Play Store hin zu F‑Droid nicht machen wollen, finden Sie hier auch die Play Store Links):
- Simple App Launcher (Play Store / F‑Droid),
- Simple Gallery (Play Store / F‑Droid),
- Simple Contacts (Play Store / F‑Droid),
- Simple File Manager (Play Store / F‑Droid),
- Simple Clock (Play Store / F‑Droid) und
- Simple Music Player (Play Store / F‑Droid) .
Vielleicht muss man bei diesen Apps auf das eine oder andere super fancy Feature verzichten, das andere Apps mitbringen. Aber wer braucht diese Features bei grundlegenden Funktionen wirklich mehr als einmal im Leben?
Zwischenstand nach vier Wochen
Nach dem ich nun vier Woche mit einem neu aufgesetzten Google Pixel 3, den erwähnten Open Source-Apps und Blokada unterwegs war, wurden nur rund 6’300 Verbindungen blockiert. Das sind mehr als 75% weniger blockierte Verbindungen, als zuvor. Vorher hat Blokada alleine in einer einzigen Woche mehr als 8’000 Hits verzeichnete. Man rechne. Der Aufwand hat also Wirkung gezeigt; Einbussen bei der Benutzbarkeit des Smartphones waren keine bemerkbar. Im Gegenteil, gefühlt hält nun der Akku etwas länger durch.
Im nächsten Teil wird es (mit grösster Wahrscheinlichkeit) um den Datenabfluss von Apps durch die Verwendung von SDK (Software Development Kits) gehen und die eine oder andere App, mit der man etwas privater unterwegs sein kann. To be continued.
Rechtsanwalt Roman Kost ist Spezialist für Informationssicherheit und Datenschutz. Als Anwalt vertritt er Sie unter anderem im Bereich des Hackerstrafrechts, sämtlichen Belangen der IT und der Informationssicherheit sowie des Datenschutzes.
Tel: 041 440 33 43 Signal: 041 440 33 43 Email:
Web: https://ra-kost.ch LinkedIn Xing