Ich habe es mir etwas zum Sport gemacht, mit kurzen Internetrecherchen die Protagonisten in Urteilen und Medienberichten aufzudecken. Sie glauben nicht, wie häufig das gelingt.
Anonymisierung in Zeitungsartikeln
In Lokalblättern öfters, in den grösseren Tageszeitungen weniger zu finden, sind Auslassungen, die man dann durch ungeschickte (oder absichtliche?) Anhäufungen von Details wieder zunichtemacht. So liest man vom soeben verhafteten Straftäter XY der eine Transportunternehmen in der Region Z führt und von dort und dort aus dem Ausland abstammt. Wie findet man diesen Transporteur? Mit Google für eine erste Idee und dann gezielter mit Suchbegriffen im zuständigen Handelsregister. Den erwähnten Transporteur z.B. findet man auf Anhieb im Handelsregister der Region mit einer Beschränkung auf die Tätigkeit und in Kombination vor allem mit der Kenntnis, woher er abstammt; der Name aus diesem Land fällt in den knapp 30 Einträgen sofort auf. Wenn man dann noch einen Gegencheck mit einer verwaisten Facebook-Seite macht, ist die Person definitiv identifiziert. Die Facebookseite ist just seit dann verwaist, seit der Besitzer in U‑Haft sitzt. (Einen Link zu diesem Zeitungsartikel finden Sie hier bewusst keinen.)
Dieses erste Beispiel ist noch relativ anspruchsvoll und die Identifikation gelingt nicht immer. Solche Anonymisierungs-Faux-Pas findet man bei jedem dritten Berichtsfall in den lokalen Medien, wie erwähnt eher selten bei den grossen Tageszeitungen (abgesehen von einem grossen Boulevardschwergewicht).
Anonymisierung in Urteilen
Im Allgemeinen sind Gerichte sehr sorgfältig, wenn es um das Anonymisieren geht. Da fällt ein jüngeres Beispiel aus dem Kanton Basel-Stadt nun aber etwas aus dem Rahmen: Im Urteil des Kantonsgerichts werden die inkriminierten Domainnamen, auf denen der Beschuldigte verbotene Äusserungen tätigte, im Volltext und ungeschwärzt genannt. Der zugehörige Bundesgerichtsentscheid dagegen macht genügend starke Ausslassungen, damit die Betroffenen nicht mehr identifiziert werden können:
Wo im BGer-Entscheid z.B. “p.________.blogspot.com; q.________.swissblog.ch; m.________.net” etc. steht, findet man bei den Basel-Städtern die ganze Domain. Das Kantonsgericht ist vermutlich davon ausgegangen, dass nun, wo ja die Domains resp. die darauf gehosteten Blogs gesperrt resp. entfernt wurden, kein Schaden mehr droht und man auch gleich die ganze Domain bekannt geben kann. Ein Stück weit nachvollziehbar… Gäbe es da nicht noch die Archiv-Betreiber, die sich zum Ziel gesetzt haben, das ganze (öffentliche) Internet und seinen Inhalt zu konservieren. Über Waybackmachine und Co. können Sie alte Webseiten, die Sie für längst gelöscht halten, leicht wieder ausgraben.
Ein anderes Beispiel betrifft einen verwaltungsrechtlichen Entscheid (BGer 2C_225/2019 vom 11. März 2019) betreffend die Fakultät einer Universität. Die Fakultät hatte ECTS-Punkt nicht angerechnet, was in den höheren Instanzen ebenfalls abgesegnet wurde. Die Fakultät wird mit “Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität B.__. ” bezeichnet und einige Absätze später wird die einschlägige Rechtsquelle, eine Verordnung zu dieser spezifischen Fakultät genannt. Hier kann man das Dilemma nicht lösen, da die Gerichte zwingend die Rechtsgrundlage nennen müssen. Nur, warum wird diese öffentliche Anstalt überhaupt anonymisiert? Ich weiss nicht ob das auf Antrag der Fakultät geschehen ist, oder ob hier ususgemäss von der Bundesgerichtskanzlei anonymisiert wurde. Die Parteien (und die Staatsanwaltschaften Staatsanwältinnen und ‑anwälte) werden grundsätzlich anonymisiert resp. nicht namentlich genannt, die Anwältinnen und an Anwälte dagegen nur auf Antrag hin.
Die PDF-Falle
Ab und an staune ich über den Umgang mit PDF; PDF bietet wunderschöne Funktionen wie Markierungen und Kommentare an. Mit Markierungen kann man dann auch schwärzen und so die Angaben zu Personen, die nicht im öffentlichen Interesse stehen, abdecken.
Auf dem Monitor hat man dann alles schön unkenntlich, aber die Daten im PDF sind natürlich nicht automatisch gelöscht. Schwärzen in diesem technischen Kontext ist nur das Verändern der Hintergrund- und allenfalls der Schriftartfarbe. Auf analogem Papier wird mit einem guten Schwärz-Stift tatsächlich auch verhindert, dass der Leser das Geschwärzte rausfinden kann.
Nicht aber bei PDF: Markiert man die geschwärzte Stelle und kopiert sie in ein Textverarbeitungsprogramm als Plain Text, dann hat man die geschwärzte Stelle lesbar gemacht. Die Parteien inkl. Privatanschriften sind im Nu erhältlich gemacht.
Mit PDF kann man durchaus auch richtig Schwärzen, aber nicht mit dem Markierungstool (Anleitung für den PDF-xchange, Anleitung für Adobe Acrobat, Handreichung des Datenschutzbeauftragten Basel-Stadt).
Manchmal kommt mir der Veracht auf, dass in Fällen, wo Medienberichte nicht geschickt mit Auslassungen umgehen, etwas Absicht dahinter steckt. Schliesslich nehmen Persönlichkeitsrechte und deren Schutz bei der Journalistenausbildung einen gewichtigen Platz ein. Weil: Was trägt im eingangs geschilderten Fall mit dem Transporteur zum Informationsgehalt bei, dass es sich beim Täter eben um einen Transporteur handelt der von XY herstammt? Ist der Bericht selbst schon mit so wenig Informationsgehalt versehen, dass man ihn noch mit an sich belanglosen Details anreichern muss? Und müssen es dann auch noch Details sein, die in ihrer Kombination eine eindeutige Identifikation zu lassen?
Anonymisierung ist nicht nur das Verschweigen des Namens
Die Identität einer Person besteht nicht einzig aus deren Namen und Vornamen. Die Gesamtheit der Informationen, die man zusammenträgt, kann genauso zur Identifikation einer Person führen, wie die Angabe der Personalien und des Wohnorts.
Ist eine Person nicht von öffentlichem Interesse, dann sollte sie durch Zeitungsberichte nicht identifizierbar gemacht werden. Selbst Personen von öffentlichem Interesse ist nach einiger Zeit das Recht vergessen zu werden, zu gewähren. Daran muss man vor der Publikation eines Urteils oder eines Zeitungsberichts denken, denn das Internet vergisst heute nichts mehr.
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