In den letzten Jahren haben sich die Forensikabteilungen der kantonalen Polizeikorps zunehmend professionalisiert. Vor ein paar Jahren sind mir in den Ermittlungsrapporten noch Formulierungen aufgefallen wie beispielsweise
“Von den eingebauten Datenträgern wurden mittels speziellen Verfahren Forensic Evidence Files (Images, Abbilder) erstellt, wobei die Originaldaten nicht verändert werden. Die Erstellung des Images verlief ohne Fehler und gewährleistet somit die Integrität der Daten.”
Das ist bei genauerem Hinschauen nichts anderes als bloss eine Beteuerung, alles sei rechtens gelaufen.
Heute findet man häufig fundiertere Angaben. Werden z.B. verbotene Dateien oder Hinweise für Straftaten gefunden, wird in aller Regel der Beweis über Hashwerte geführt. Und gute Forensiker zeigen in ihren Rapporten auch den Sicherungsvorgang der Originaldatenträger auf. Denn dieser Sicherungsvorgang ist entscheidend dafür, dass die Beweiskette hält. Wird der Originaldatenträger verändert, lässt sich kein Beweis mehr führen.
Die Computerforensik gleicht dabei einem DNA-Beweis. Der DNA-Beweis hat sich weltweit etabliert. Er gehört zu den zentralen Beweismitteln, ist aber trotzdem nur eines von vielen Puzzleteilen, die man zur Beweisführung benötigt. Ob die verdächtige Person auch wirklich die Tat begangen hat, lässt sich mit einem DNA-Beweis freilich nicht nachweisen. Der DNA-Beweis beweist nur, dass die gefundene DNA einer Person zugeordnet werden kann.
Beim DNA-Beweis haben wir als Grundlage das DNA-Profil-Gesetz, die Verordnung dazu sowie eine Verordnung des EJPD, in der dann wiederum auf die Richtlinien zur Qualitätssicherung der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM) verwiesen wird. Nach 20 Jahren ohne explizite Rechtsgrundlage fand der DNA-Beweis mit dem DNA-Profilgesetz Eingang ins geschriebene Recht und mit der Einführung der schweizweiten StPO auch eine einheitliche Regelung mit Art. 255 StPO für den Strafprozess. Mit der Anwendbarkeitsbestimmung in Art. 259 StPO haben das DNA-Profilgesetz, dessen Verordnungen und die Richtlinie der SGRM weiterhin, d.h.
auch im Strafprozess, ihre Geltung.
Bei der Computerforensik sieht es punkto Gesetze etwas anders aus. Es besteht zwar keine explizite gesetzliche Regelung, trotzdem lassen sich die Grundlagen eruieren, nach denen die Computerforensiker im Strafprozess zu arbeiten hat. Ich hoffe, der Gesetzgeber lässt sich nicht gleich lange Zeit, der Computerforensik den gebührenden Platz einzuräumen, wie er es beim DNA-Beweis tat. In Anbetracht der stets fortschreitenden Digitalisierung ist der absolut zentrale Charakter dieses Gebiets kaum von der Hand zu weisen. Eine explizite Regelung würde für Klarheit sorgen.
Heute haben wir für die Computerforensik im Strafprozess Art. 139 Abs. 1 StPO:
Beweiserhebung und Beweisverwertbarkeit
Art. 139 Grundsätze
1 Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind.
2 Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt.
Nach diesem 139 Abs. 1 StPO haben die Strafbehörden zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel einzusetzen. In der Schweiz gilt für die Computerforensik die Norm “SN EN ISO/IEC 27037”. Das ist eine internationale Norm von der International Organization for Standardization (ISO) mit Sitz in Genf. Dieser Standard wird weltweit beachtet; diesbezüglich besteht Konsens in der ganzen Branche der Computerforensik. Dieser internationale Standard wurde durch die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) als nationale Norm für die Schweiz übernommen und hat dadurch auch hier seine Gültigkeit.
Die Norm 27037 stellt die Sammlung von qualifiziertem Wissen dar und gilt als Stand der Technik. Wer diesen Vorgaben und Methoden folgt, handelt lege artis. Weicht man von diesem Standard ab, gerät man in Erklärungsnot.
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