Neben dem substantiierten Bestreiten kommt dem eigentlichen Substantiieren des eigenen Sachverhaltvortrags eine zentrale Rolle zu. Es genügt in keinem Fall, einfach auf Belege zu verweisen. Ebenfalls genügt nicht, eine Zahl zu behaupten und diese unter Verweis auf (allenfalls sogar genau spezifizierte) Belege beweisen zu wollen.
Der Beispielsatz “Der Beklagte schuldet den Betrag von CHF 4’598.90, siehe Beleg 3.” genügt nicht; selbst dann nicht, wenn genau dieselbe Zahl auch im Beleg vorkommt. Es ist im Detail (=substantiiert) anzugeben, auf welchen Rechtsgrund sich die Forderung stützt, wie sie sich zusammensetzt und mit welchen Sachverhaltselementen diese Angaben untermauert werden. Allfällige Berechnungen müssen in der Rechtsschrift selbst dargelegt werden. Das Bundesgericht hat in BGE 136 III 322 festgehalten, eine Tatsachenbehauptung müsse nicht alle Einzelheiten enthalten; sie sei dann genügend, wenn die Tatsachen, die unter die das Begehren stützenden Normen zu subsumieren sind, in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet werden. Ein solchermassen vollständiger Tatsachenvortrag werde als schlüssig bezeichnet, da er bei Unterstellung, er sei wahr, den Schluss auf die anbegehrte Rechtsfolge zulasse.
In diesen Kontext gehört auch die Anforderung an eine Rechtsschrift, Beweisanträge im direkten Zusammenhang mit einer konkreten Sachverhaltsdarstellung vorzubringen. Ausführungen, die ganze Seiten füllen und bei denen sich am Schluss noch vier oder fünf Beweisanträge finden, wären ungenügend. Die Regel, pro Gedankengang ein Absatz, ist Gold wert.
Das Bundesgericht hält zur Substantiierungsplicht in E . 4.2. von 4A_284/2017 fest:
4.2. Gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. d und e ZPO muss die Klage die Tatsachenbehauptungen und die Bezeichnung der einzelnen Beweismittel zu den behaupteten Tatsachen enthalten. Zweck dieses Erfordernisses ist, dass das Gericht erkennen kann, auf welche Tatsachen sich der Kläger (bzw. der Beklagte hinsichtlich einer Gegenforderung) stützt und womit er diese beweisen will, sowie die Gegenpartei weiss, gegen welche konkreten Behauptungen sie sich verteidigen muss (Art. 222 ZPO). Vor diesem Hintergrund verlangt die bundesgerichtliche Rechtsprechung, worauf die Vorinstanz zu Recht verweist, dass der Behauptungs- und Substanziierungslast grundsätzlich in den Rechtsschriften nachzukommen ist, und lässt den blossen, pauschalen Verweis auf Beilagen in aller Regel nicht genügen (Urteile 4A_264/2015 vom 10. August 2015 E. 4.2.2; 5A_61/20015 vom 20. Mai 2015 E. 4.2.1.3; 4A_317/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 2.2; 4A_195/2014 und 197/2014 vom 27. November 2014 E. 7.3, nicht publ. in BGE 140 III 602). Es geht darum, dass nicht das Gericht und die Gegenpartei aus den Beilagen die Sachdarstellung zusammensuchen müssen. Bei Sachverhaltskomplexen dürfte oft auch nicht klar sein, auf welchen Grundlagen die Feststellungen in der Beilage (z.B. einem Privatgutachten) beruhen und entsprechend fehlen auch klare Zuordnungen von Beweisanträgen zu konkreten einzelnen Sachverhaltsdarstellungen, wie sie von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich verlangt werden (Urteile 4A_370/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 3.3; 4A_381/2016 vom 29. September 2016 E. 3.1.2 und 4A_487/2015 vom 6. Januar 2016 E. 5.2 mit Hinweisen).
Weiter hält das Bundesgericht fest (Weiterführung von E. 4.2):
Das bedeutet nicht, dass es ausgeschlossen ist, auf die Sachverhaltsdarstellung in einer Beilage zu verweisen. In der Lehre wird zum Teil generell die Auffassung vertreten, durch Verweis auf Akten könnten Sachverhaltselemente als behauptet gelten, wenn der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift spezifisch ein bestimmtes Aktenstück nennt und aus dem Verweis in der Rechtsschrift selbst klar wird, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen (HURNI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. 1, 2012, N. 21 zu Art. 55 ZPO; SUTTER-SOMM/SCHRANK, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 31 zu Art. 55 ZPO; je mit Hinweisen). Auch das Bundesgericht verlangt nicht, dass Beilagen, die der Substanziierung dienen (im dort zu beurteilenden Fall eine Honorarnote), zwingend integral im Volltext in die Rechtsschriften übernommen werden. Der Verweis auf eine Beilage ist aber jedenfalls ungenügend, wenn die Beilagen für sich selbst nicht erlauben, die geltend gemachten Positionen zu prüfen und gegebenenfalls substanziiert zu bestreiten, und die Beilagen in den Rechtsschriften nicht hinreichend konkretisiert und erläutert werden (vgl. zit. Urteil 4A_264/2015 E. 4.2.2).
Das Zusammenspiel aus Beleg und Behauptung stellt das Bundesgericht wie folgt dar:
4.3. Es ist stets vor Augen zu halten, dass eine sinnvolle Prozessführung möglich sein muss. Das Zivilprozessrecht bezweckt, dem materiellen Recht zum Durchbruch zu verhelfen (BGE 139 III 457E. 4.4.3.3 S. 463 mit Hinweisen). Art. 221 Abs. 1 lit. d ZPO soll sicherstellen, dass das Gericht und die Gegenpartei die Behauptungen nicht selbst aus Beilagen zusammensuchen müssen. Gerade wenn zur Substanziierung von in den wesentlichen Zügen oder Umrissen in einer Rechtsschrift behaupteten Tatsachen eine Vielzahl von Einzelinformationen nötig sind, stellt aber die Auslagerung der Informationen in eine Beilage unter Umständen keinerlei Erschwerung dar, sondern kann sowohl die Lesbarkeit der Rechtsschrift als auch den Zugriff auf die entsprechenden Informationen erleichtern, so dass es überspitzt formalistisch wäre, eine Übernahme in die Rechtsschrift zu verlangen, da dies einen blossen Leerlauf darstellen würde (Urteil 4A_281/2017 vom 22. Januar 2018 E. 5.2). Ein Verweis auf die Akten kann mithin zwar zulässig sein, er darf aber nicht dazu führen, dass die Gegenpartei und das Gericht die Tatsachen aus der Beilage selbst zusammensuchen müssen. Daher genügt es nicht, dass in den Beilagen die verlangten Informationen in irgendeiner Form vorhanden sind. Es muss auch ein problemloser Zugriff darauf gewährleistet sein, und es darf kein Interpretationsspielraum entstehen. Der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift muss spezifisch ein bestimmtes Aktenstück nennen und aus dem Verweis muss selbst klar werden, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen (HURNI, a.a.O, N. 21 zu Art. 55 ZPO; SUTTER-SOMM/SCHRANK, a.a.O., N. 31 zu Art. 55 ZPO; je mit Hinweisen). Ein problemloser Zugriff ist gewährleistet, wenn eine Beilage selbsterklärend ist und genau die verlangten (beziehungsweise in der Rechtsschrift bezeichneten) Informationen enthält. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann ein Verweis nur genügen, wenn die Beilage in der Rechtsschrift derart konkretisiert und erläutert wird (vgl. zit. Urteil 4A_264/2015 E. 4.2.2), dass die Informationen ohne weiteres zugänglich werden und nicht interpretiert und zusammengesucht werden müssen (zit. Urteil 4A_281/2017 E. 5.3).
Direktlink: Urteil 4A_284/2017 vom 22. Januar 2018 der I. zivilrechtliche Abteilung.
Rechtsanwalt Roman Kost ist Spezialist für Informationssicherheit und Datenschutz. Als Anwalt vertritt er Sie unter anderem im Bereich des Hackerstrafrechts, sämtlichen Belangen der IT und der Informationssicherheit sowie des Datenschutzes.
Tel: 041 440 33 43 Signal: 041 440 33 43 Email:
Web: https://ra-kost.ch LinkedIn Xing