Kollege Christian Laux hat im Tagesgespräch vom 20.03.2019 auf SRF 1 interessante Ausführungen zur SuisseID gemacht. Als Vizepräsident der Swiss Data Alliance und selbständiger Rechtsanwalt auf dem Gebiet der Informationstechnologien wusste er, von was er sprach. Eine seiner Kernaussagen war: Es muss einfacher werden. Das unterschreibe ich sofort.
Wenn ich mit älteren Berufskollegen und ‑kolleginnen spreche, winken die allermeisten ab, wenn ich sie auf elektronische Eingaben anspreche. Die SuisseID ist praktisch unbekannt.
Kollege Laux nennt als eine der bisher wenigen Anwendungsmöglichkeiten der SuisseID das Login bei der Post. Als Luzerner wäre meine prompte Antwort die sog. EEG gewesen. EEG sind in Luzern die Elektronische EinGaben. Im Unterschied z.B. zu Zürich verlangt der Kanton Luzern für elektronische Eingaben keinerlei Gebühren. Es wird ein Prepaid-Formular verwendet, das von Privasphere betrieben wird. Auf jeder Webseite einer Luzerner Instanz finden Sie sofort den Link zu entsprechenden Formular (zumindest im Geltungsbereich von ZPO und StPO). Auf der Plattform ch.ch des Bundes finden Sie zudem eine Liste zu den verschiedenen Kommunikationskanälen im elektronischen Rechtsverkehr in der ganzen Schweiz.
Im Moment ist der elektronische Rechtsverkehr eine Einbahnstrasse alleine von der Anwaltschaft zum Gericht und nicht umgekehrt. Wenigstens bei den Staatsanwaltschaften und der Jugendstaatsanwaltschaft treffe ich mittlerweile regelmässig auf elektronische Eingaben und erhalte sogar elektronische Post per Privaspehere. Kein unnötiger Papierstau mehr. (Und kein Fax mehr, der wurde im Kanton Luzern offiziell abgeschafft!) Ein grosses Kränzchen kann ich Punkto elektronischen Eingaben der Leiterin der Geschäftskontrolle der Staatsanwaltschaft 2 Emmen winden. Sie gehört zu denjenigen Personen, die sich aktiv um diese neue Technologie bemühen und damit auch kommunizieren wollen.
Die Handhabung im elektronischen Rechtsverkehr ist leider wieder einmal von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Der Kanton Zug z.B. verlangt grundsätzlich das Nachreichen aller Eingaben in Papierform (die ZPO sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor). In Luzern erhält man nur dann einen Anruf mit der Aufforderung zum Nachreichen, wenn die Belege farbig und diese Farben von Relevanz sind. Die Luzerner, Obwaldner und Nidwaldner benutzen Prepaidformulare. Soweit mir bekannt, setzt der Kanton Zürich wiederum auf elektronische Eingaben direkt im Mailsystem von Privasphere (mit kleiner Gebührenfolge) und nutzt keine Prepaidformulare.
Das Bundesgericht verlangt sodann bei elektronischen Eingaben pro Beleg ein PDF. Das kann ich zwar nachvollziehen. Schliesslich werden diese PDF dann einzeln ins System importiert und der Spruchkörper kann präzise die notwendigen Belege öffnen. Aber was ist nun einfacher für den Anwender? Alle Belege mit Belegnummer einfach einmal (oder im Doppel) in den Kopierapparat legen und dann ins Couvert stecken oder jedes einzelne PDF-File signieren?
Signieren eines Belegs heisst, man lädt das File, das man zuvor gescannt hat in sein Signaturprogramm (z.B. Open eGov Signer vom Bund), platziert seine Signatur und muss dann nochmals sein Passwort für den Schlüssel auf der SuisseID eingeben. Bei jedem Erststart des Signierprogramms müssen Sie zudem zuerst mit Ihrem Passwort die SuisseID entsperren. Je nach Übung dauert das eine oder zwei Minuten. Wer sich nicht auskennt hat 5 oder 10 Minuten pro Datei. Konzentration ist auch gefordert, schliesslich will man nicht falsche Dateien verschicken!
Die Belege einzeln signiert zu verlangen, ist im Hinblick auf die Usability sicher nicht sinnvoll. Da müsste eine Möglichkeit her, ein einziges signiertes Archiv einzureichen. Oder eben einfach eine einzelne PDF-Datei mit allen Belegen, die dann von den Sachbearbeitern auf der Gerichtskanzlei in einzelne Dateien zerlegt wird. Das ist heute auch keine Hexerei mehr. Da könnte das BGer noch nachziehen und elektronische Eingaben rascher und einfacher gestalten. Kommt dazu, dass man in einem einzigen Belege-PDF auch Lesezeichen integrieren kann, was das Nachschlagen nochmals ein Stück einfacher machen würde.
Ich mache seit mehr als 5 Jahren täglich diverse elektronische Eingaben. Der elektronische Rechtsverkehr ist in meinen Augen ein absoluter Erfolg und wird sich in Zukunft durchsetzen. Nur noch selten erhalte ich von einem Richter ein Telefon mit dem Hinweis, ich hätte meine elektronische Eingabe vergessen zu unterschreiben. In solchen Fällen wurde einfach die Signatur übersehen, was sich dann rasch klärt. Die elektronische Eingabe ist in den Köpfen angekommen.
Ein Anwendungsfall der SuisseID und in meinen Augen ausgerechnet ein Negativbeispiel ist das Login bei der Post auf post.ch: Seitdem ich meinen Account mit der SuisseID verknüpft habe, ist es mir nicht mehr möglich, mich nur mit Benutzerangabe und Passwort einzuloggen. Eine Zustellung autorisieren oder die Abholfrist um ein paar Tage verlängern ist ohne dass ich die SuisseID zücken muss, nicht mehr möglich.
Warum ist der SuisseID-Zwang bei der Post ein Ärgernis? Meine SuisseID ist auf einer Karte oder auf einem USB-Stick. Alle anderen Accounts sind in meinem Browser oder im Passwortmanager hinterlegt. Manchmal besteht noch Zwei-Faktoren-Authentifizierung per SMS, vorallem bei Bankapplikationen. In aller Regel ist aber nur ein einziger Klick, ein Fingerabdruckscan am Laptop oder ein einziges Passwort notwendig und ich bin eingeloggt.
Die SuisseID ist bei mir dagegen noch nicht permanent einsatzbereit. Beim aktuellen System ist es mir nicht bekannt, dass sich nächstens etwas ändert oder die Einsatzbereitschaft sich sehr viel schneller erstellen liesse. So muss ich aktuell jeweils meine SuisseID hervornehmen, in den Adapter einstecken, den Adapter in den Computer einstecken und dann die Karte mit dem SuisseID-Passwort “öffnen”, damit der Browser darauf zugreifen und meine ID auslesen kann. Ich identifiziere mich der Post gegenüber also mit der SuisseID (erster Faktor), die ich zuvor mit Passwort und Mailadresse entsperren musste (zweiter Faktor). Das sind die Unannehmlichkeiten eines Security Tokens in Hardwareform. Für den blossen Zugang zum Post-Account ist das zuviel des Guten resp. das Gute ist zu unbequem, als dass die Leute darauf umsteigen würden. Hat man die SuisseID einmal nicht dabei, ist konsequenterweise auch nichts mehr mit Einloggen bei der Post.
Ich bin zu folgendem Schluss gekommen: Wenn man den elektronischen Verkehr mit den Gerichten und Ämtern forcieren will, dann muss das Procedere einfacher, rascher und günstiger sein, als jenes auf dem analogen Weg.
Kollege Laux hat also völlig recht. Es muss einfacher werden und darf uns in den Abläufen nicht stören. Erst dann wird die SuisseID und der elektronische Rechtsverkehr den Durchbruch schaffen.
Rechtsanwalt Roman Kost ist Spezialist für Informationssicherheit und Datenschutz. Als Anwalt vertritt er Sie unter anderem im Bereich des Hackerstrafrechts, sämtlichen Belangen der IT und der Informationssicherheit sowie des Datenschutzes.
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